Das Leben gemeinsam gestalten

Die Wabe-Idee
 

Die Wabe will durch Integration, Solidarität, Hilfsbereitschaft und Toleranz eine neue Form der Gemeinschaft gestalten, die Miteinander und Individualität verbindet.
 

Der jetzige Zustand der Gesellschaft ist in vielen Bereichen unbefriedigend. Besonders aufgrund der eingetretenen "Individualisierung" lösen sich gewachsene Strukturen auf und es entstehen Lebensformen, die häufig Gemeinschaftssinn vermissen lassen, obwohl der Einzelne die Gemeinschaft in vielerlei Formen zum Leben benötigt.
Gemeinschaftliches Leben von Jung und Alt
Die nachstehenden Gedanken können nur den Versuch darstellen, die wichtigsten Dinge beim Zusammenleben zu beschreiben:
Wohnungen mit zusätzlichen Gemeinschaftsräume
Gemeinschaft bilden unter Wahrung der Eigenständigkeit
Im täglichen Leben miteinander kochen und essen, spielen, singen und musizieren, basteln und werken - und das alles ohne Zwang, spontan oder nach Absprachen
Aufeinander zugehen, miteinander reden und auch dem anderen zuhören
Probleme gemeinsam besprechen und dann versuchen, diese befriedigend zu bewältigen.
Bestandteil des häuslichen Miteinander sind regelmäßige Treffen der
Hausgemeinschaft.
Unser Haus soll Menschen und Natur wenig belasten.
Wir wollen ähnliche Vorhaben mit Rat und Tat unterstützen.
Wir hoffen, dass wir durch das Einbringen unserer unterschiedlichen Fähigkeiten, Wünsche und Träume eine neue Qualität von Wohnen und Leben erreichen werden
Gegenseitige Hilfe und Unterstützung in den kleinen und großen Dingen des Alltags ist erwünscht.
Bei besonderen Krankheitsfällen wollen wir auch Dienste von aussen einbeziehen
Unsere Gemeinschaft will nach aussen offen sein und Aktivitäten im Stadtteil und kulturelle Vielfalt fördern.
 

Wer "Leben in einer generationsübergreifenden Gemeinschaft" als zukunftsweisendes Modell begreift, kann hier auf der Basis von Vertrauen und freundschaftlicher Nähe vielfältige zwischenmenschliche Beziehungen finden und anderen anbieten.

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Je mehr wir angefragt wurden, unsere Ideen zu erläutern, um so stärker realisierten wir, daß unsere Vorstellungen so neu nicht waren, daß sie sich jedoch aus dem gesellschaftlichen Kontext entwickelten. Vielleicht ist auch heute noch der Versuch interessant einen kleinen gesellschaftlichen Abriß zu geben.


Alternatives Wohnen
(Vortrag von Hildegard Rohde,1997)

Geschichte ist Übergang. Das ist eine Binsenweisheit.
Zuweilen allerdings verdichtet sich der unmerklich gleitende Wandel zur historischen Zäsur, zum Bruch mit Gewesenem und Gewordenem.

Ein Satz aus Hermann Hesses "Steppenwolf" beschreibt ungefähr die Seelenlage: Er sagt, daß es Zeitalter gebe, "wo eine ganze Generationso zwischen zwei Lebensstile hineingerät, daß ihr jede Selbstverständlichkeit, jede Sitte, jede Geborgenheit verlorengeht".
Hermann Hesse, 1877 geboren, hatte hier wohl auch den Umbruch von der Agrar- zur Industriegesellschaft vor Augen:
Die bäuerliche Großfamilie löste sich auf. Familie reduzierte sich allmählich auf Vater, den Ernährer, Mutter, die Hausfrau, mehr, eher weniger Kinder und -vielleicht- Großeltern, die im Alter von der Frau im Haus versorgt wurden.

Doch mit wachsender Bildung und Ausbildung auch der Mädchen und wachsendem Arbeitskräftebedarf begnügten die Frauen sich nicht mehr mit dem "Nur Hausfrau" sein. Und bei dem Spagat: Kinder und Beruf blieben die Kinder, jedenfalls was die Anzahl angeht (die Pille tut ein übriges) auf der Strecke.
Die Männer hatten teilweise Probleme, sich in der veränderten Situation zurechtzufinden; die Scheidungsraten stiegen rapide.
Ein neuer Begriff wurde geboren: alleinerziehende Mutter, in wenigen Fällen auch Vater. Zudem wurden und werden die Alten immer älter und wer im Schoße der Familie keinen Platz fand oder auch nicht finden wollte, ging ins Altenheim, das sich jetzt vornehm Seniorenheim nennt.
Doch gerade meine Generation, die noch genau das getan hat, was Vater  Staat und Mutter Kirche von uns erwarteten: Kinder großgezogen, sie behütet und umsorgt, vielleicht mäßig bezahlte Halbtagsjobs angenommen um das Studium der Kinder zu finanzieren - steht heute vor der Horror-Vision, zum Sozialfall zu werden, falls wir uns allein nicht mehr versorgen können.
Und die Wirtschaft erwartet Flexibilität, sodaß die Kinder immer seltener als Hilfe zur Verfügung stehen.
Nicht zu vergessen wären noch die vielen Kranken und Behinderten.
Freie Fahrt für freie Bürger erfordert ihren Tribut und neue Seuchen lösen alte und besiegt geglaubte ab. Mühsam wird hier mit Zivis mehr oder minder Betreuung aufrecht erhalten.
Barrierefreies Bauen ist immer noch nicht gesetzlich verankert.

Fazit: Der moderne Mensch hat Freiheiten gewonnen und Sicherheiten verloren.

Ich kann hier aus Zeitgründen die gesellschaftliche und damit die Wohnwirklichkeit nur ganz grob skizzieren.
Doch was können wir tun? Ein zurück ins Paradies gibt es nicht - wenn es denn je eines war.
UND MORALISCHE Appelle, die die "Heilige Familie" beschwören, sind höchstens ein Sedativ, um das eigene Gewissen zu beruhigen, die Entwicklung aufhalten können sie nicht.

Doch über den gesellschaftspolitischen Aspekt hinaus gibt es ja auch noch die finanzielle Seite.
Lange wurden durch Wirtschaftswunder und jahrzehntelange Prosperität die Maschen des sozialen Netzes immer enger geknüpft. Inzwischen stößt die stattliche Rundumversorgung an ihre Grenzen.
Wie sagte unser alter Stuttgarter Oberbürgermeister:
Man kann über alles streiten, nur nicht über Adam Riese.
Blicken wir noch einmal zurück ins vorige Jahrhundert, in die Zeit der großen Brüche und Veränderungen.
Hilfe kam auch da nicht allein vom Staat, wie immer Staat sich definiert. Viele einzelne Bürger und Gruppen versuchten zu helfen und übten sich in Gemeinsinn.
Namen wie Heinrich Wicher, Adolf Kolping, Schulze-Delitzsch, Raiffeisen - Gründer von Einkaufs- und Kredit-Genossenschaften, Spar- und Darlehensvereinen - sind uns bis heute ein Begriff.
Wie viele Menschen leben noch heute in Häusern  der damals gegründeten Wohnbaugenossenschaften.
Hilfe zur Selbsthilfe war das- und genau das müssen wir wieder lernen.
Am Wahltag Kreuzchen machen und die da oben werden's schon richten reicht nicht mehr.
Wir müssen uns wieder stärker den Lebenswelten der Menschen zuwenden. Wirmüssen neue Formen des Zusammenlebens und auch des Zusammenwohnens finden.
Es gibt inzwischen bundesweit unzählige Initiativen, die mit viel Elan und wenig Mitteln dies versuchen.
Es wird so viel über Parteien- und Wahlverdrossenheit geredet. Vielleicht haben wir in Zeiten wo es uns gut ging, wo alles immer besser wurde verlernt, miteinander zu reden.
Hier, bei der Selbsthilfe, setzt auch das Konzept der Wabe ein:
Wir wollen versuchen, auf dem Gebiet des Wohnens, das ja eines der menschlichen Grundbedürfnisse ist - und sicher auch eine enorme psychosomatische Bedeutung hat - neue menschliche, praktikable und letztendlich auch kostengünstigere Lösungen zu finden.

Wir von der Wabe haben folgende Intention:Wir wollen Treffpunkt sein für Menschen, die sich zutrauen, mit der nötigen Offenheit, Hilfsbereitschaft und Toleranz eine neue Form der Gemeinschaft zu gestalten für Menschen, die Individualität ebenso schätzen wie ein hilfreiches Miteinander.

Wir bilden zunächst Freundeskreise: Regelmäßige Treffen dienen der Information, der Aufnahme von Wünschen und Anregungen, der Planung und Absprache von organisatorisch Notwendigem. Nicht offizielles Zusammensein ist genau so wichtig. Seien es gemeinsame Unternehmungen wie Wanderungen, Picknicks, Theater, Museen, Stadtbesichtigungen. Eine Möglichkeit, sich kennenzulernen, selbst neue Interessen zu entdecken, sich auf Neues einzulassen.
Seien es Treffen im kleinen Kreis, zum Reden und Spielen, auch mal zum Essen und Trinken. Alles Möglichkeiten, um herauszufinden, wo die eigenen Macken und die der anderen liegen und welche miteinander korrespondieren.
Gemeinsam wohnen und leben meint: eigenständig, aber nicht einsam:
Einsamkeit macht krank - keine Rückzugsmöglichkeiten zu haben auch.

Die Geborgenheit in der Gemeinschaft und der freundschaftliche Umgang mit Menschen unterschiedlichen Alters, verschiedener Ansichten und Gewohnheiten gibt Anregungen für eine aktive Lebensgestaltung und erhöht die Chancen für körperliche und geistige Gesundheit, auch im hohen Alter.
So lange und so weit wie möglich Hilfe auf Gegenseitigkeit, oft ist man ja nur vorübergehend der Hilfe bedürftig.

Wichtig ist auch: Durch gegenseitige Hilfe werden die institutionellen Sozialleistungen reduziert und die Kostenexplosion in diesem Bereich gebremst.
Kleine Gruppen übernehmen vielfältige Leistungen kostengünstiger als es der beste Sozialstaat kann.

Wohnraum angepasst an die Bedürfnisse:
Ich kenne einige Frauen, die sich auch das Zusammenleben in einer großen Wohnung mit je eigenem Zimmer einschließlich Naßzelle und einer gemeinsamen gemütlichen großen Wohnküche vorstellen können, sicher kostensparend, sodaß etwas mehr Mittel für andere Wünsche übrig bleiben, vielleicht für Reisen, und die Wohnung stünde dann auch nicht leer, es wäre fast immer jemand zu Hause, was wiederum ein Gefühl größerer Sicherheit gibt. Soweit unsere Vorstellungen.
Und jetzt komme ich mir vor wie der Händler auf dem Jahrmarkt, der lang und breit die Vorzüge seines Produkts erläutert und wenn man ihn zwischendurch nach dem Preis fragt, heißt es: Moment, langsam, darauf komme ich später.
Doch es braucht viel Geduld und einen langen Atem um solche Projekte verwirklichen zu können.
Das Umdenken muß zuerst im Kopf beginnen, zunächst in den Köpfen der Menschen, für die solche Lösungen sinnvoll wären, dann aber auch in den Köpfen der in den Kommunen für Wohnungsbau, Familien und Soziales Zuständigen, denn ganz aus eigener Kraft wird es selten möglich sein.
Es gibt in der Bundesrepublik so eine Art Nord-Süd-Gefälle. Je weiter nördlich, um so mehr solcher Projekte sind verwirklicht. Hier steht dem wohl die süddeutsche Mentalistät im Wege, wo das eigene Häusle immer noch der Traum ist.
Aber ich denke, je größer der Kreis der Menschen wird, die solchen Gedanken Raum geben, um so stärker wird auch unser Einfluß werden.

Vor einigen Jahren wäre es noch nicht möglich gewesen, daß immer wieder die Dritten Programme der ARD diese Themen aufgreifen, daß die Stuttgarter Zeitung Sonderveröffentlichungen herausgibt, in denen unter anderen auch diese Wohnform beschrieben wird oder die Wochenzeitung DIE ZEIT sich in einem neunseitigen Dossier damit beschäftigt.
Mit einem Zitat aus diesem Dossier lassen Sie mich schließen:

Die Gesellschaft vergreist.
Auf einen Berufstätigen kommt bald ein Rentner.
Aber die Krise enthält eine Chance:
die starren Strukturen von Ausbildung,
Arbeit und Ruhestand
aufzubrechen.
Jung und Alt müssen neu miteinander
leben lernen.

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